Es gibt Theaterabende, bei denen man lange nachdenkt. Nachdenkt, ob man überhaupt darüber berichten soll. Die "Legende vom Glück ohne Ende/kein runter kein fern" am Berliner Maxim-Gorki-Theater gehört in ihrem oberflächlichen Wirrwarr leider dazu. Bezeichnend war, dass in der Pause ein freundlicher Service-Mitarbeiter an der Eingangstür auf seinen Hinweis, dies sei erst die Pause, von fliehenden Zuschauern hörte, sie würden trotzdem gehen. Es sei ihnen zu konfus und zu langweilig. Immerhin erzählt zumindest die Ankündigung des Theaters, worum es in den beiden Prosatexten von Ulrich Plenzdorf, die als Motive für diesen Abend herhalten mussten, geht. Man kann nur hoffen, dass
Besucher, denen die Originale nicht bekannt sind, so wenigsten ein paar Dinge begreifen konnten. Es erwartet ja niemand, dass z.B. Szenen aus "Paul und Paula", dem Film, einfach auf die Bühne übertragen werden. Aber wenn szenisch etwas passiert, möchte man doch wenigstens halbwegs begreifen, warum.
Bei Robert Borgmann als Einrichter der Bühnenfassung und Regisseur hat man ständig den Eindruck, dass er Assoziationen, die ihm beim Lesen der Texte gekommen sind, ungefiltert auf die Bühne transportiert. Der schlichte weiße Raum (Susanne Münzer) verspricht zunächst eine Konzentration, die aber bald schon durch Materialschlachten mit umherfliegenden Aktenordnern, Gerümpel aus dem Bühnenhimmel, mühsam entfernte Seitenwände, damit sich die Bühne drehen kann und sonstige Überfrachtungen zerstört wird.
Konzentriert ist eigentlich nur der eingeschobene Monolog "kein runter kein fern" in einem furiosen Solo von Albrecht Abraham Schuch. Wie er die Geschichte dieses "zurückgebliebenen" Sohnes im DDR-Alltag lebendig werden lässt, ist das einzige, das sich an diesem Theaterabend lohnt.
Es ist ja durchaus liebenswert, wie Mitglieder der Seniorentheatergruppe "Golden Gorkis" als strickende Nachbarinnen den Abend als Erzählerinnen eröffnen, aber es bleibt eben bei brav abgelieferten Text-Informationen und trägt als roter Faden nicht.
Richtig ärgerlich dagegen ist es, wenn ein Bär mit rotem Umhang und Megaphon die wichtigen Sätze des Professors, der Paula vor einer neuen Schwangerschaft warnt, spricht. Paula (Julischka Eichel) sitzt dabei zwar an der Rückwand, ist aber durchaus für jeden Zuschauer auch mit der kleinsten Regung im Gesicht gut zu sehen. Die Verdopplung per Video-Kamera bringt also nichts außer dem Effekt, dass die Projektion nicht 100% synchron ist. Das ist also nicht nur überflüssig, sondern auch noch dilettantisch.
Ich kann ja verstehen, dass ein junger Regisseur sich mit allem, was man ihm zur Verfügung stellt, kreativ austoben will. Es gibt doch aber auch eine Theaterleitung und einen stückführenden Dramaturgen, die bei so einem Desaster die Notbremse ziehen könnten. Die geflüchteten Zuschauer werden es sich nämlich wahrscheinlich zweimal überlegen, ob sie dieses Theater wieder besuchen und das darf niemandem egal sein.
Rainer Gerlach für radio-mensch