Arne Donadell Quartett - Lebendige Tradition im Liveclub Telegraph

Die Liste der Musiker, die in den 1940er bis 60er Jahren stilbildend für den modernen Jazz waren und nicht mehr unter uns weilen, ist in letzter Zeit immer länger geworden. Erinnert sei hier neben vielen anderen an Miles Davis, John Coltrane, Tony Williams und Dexter Gordon. Um die Weiterführung dieser Tradition ist der Pianist Arne Donadell mit seinem Quartett bestrebt. Die Release-Party für seine aktuelle CD "Reisende" im Leipziger Liveclub Telegraph ist gut besucht und von Anfang an versteht es der Richie Beirach-Schüler das interessierte Publikum in seinen Bann zu ziehen. Großen Anteil daran haben auch der Saxophonist Sebastian Wehle,
Dominique "Gaga" Ehlert am Schlagzeug und Daniel Werbach am Kontrabass. Eine gelungene Mischung aus Eigenkompositionen Arne Donadells und Klassikern wie "Footprints" von Wayne Shorter bestimmt das Programm. Stilistisch spürt man den Hintergrund des berühmten Miles Davis Quintetts aus den 1960er Jahren und von John Coltrane. Würde man es aber darauf beschränken, könnte man den Musikern nicht gerecht werden. Sie verstehen es, ihrer Musik ein besonderes Gepräge zu geben. Das ist besonders spürbar bei Arne Donadells Balladen, die von tiefer Emotionalität geprägt sind, andererseits entfaltet das Quartett bei den schnelleren Titel einen unwiderstehlichen Drive.

Besonders hervorzuheben ist die Frische, mit der hier musiziert wird. Anbiedereien an den Zeitgeschmack werden vermieden, dafür präsentiert sich eine Formation, in der jeder Musiker etwas Wesentliches beizutragen hat. Jetzt könnte die Frage auftauchen, inwieweit diese Musik noch zeitgemäß sei. Hierauf gibt Martin Luther King folgende Antwort: "Jazz handelt vom Leben. Die Blues erzählen die Geschichten von den Schwierigkeiten des Lebens. Und wenn Du ein wenig nachdenkst, wirst Du begreifen, dass sie die grausamsten Realitäten nehmen und in Musik verwandeln und dadurch neue Hoffnung und ein Gefühl des Triumphes gewinnen. Jazz ist triumphierende Musik. Der moderne Jazz hat diese Tradition weitergeführt, indem er die Lieder einer komplizierter gewordenen, großstädtischen Existenz singt. Wenn das Leben keine Ordnung und keinen Sinn mehr bietet, dann schafft der Musiker Ordnung und Sinn mit den Klängen der Erde, die durch sein Instrument fließen..."%2A Dem ist nichts hinzuzufügen.
Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

%2A J.E. Berendt - Ein Fenster aus Jazz, Fischer 1986; es handelt sich um einen Auszug aus einem Text für das Programmheft der Berliner Jazztage

Arne Donadell "Reisende" erschienen bei Egolaut

A Whisper In The Noise - Liebe zum Detail im UT Connewitz Leipzig

Zum Ausklang eines sonnigen und warmen Frühlingstages haben sich A Whisper In The Noise aus dem nordamerikanischen Minnesota im Leipziger UT Connewitz angesagt. Doch bevor sie ihren mit Spannung erwarteten Auftritt beginnen sind Garda aus Dresden als Support an der Reihe. Besser gesagt, ihr Nukleus, bestehend aus Kai Lehmann (Vocals, Guitars) und Ronny Wunderwald (Drums, Percussions). Garda, wer denkt da nicht zuerst an den malerischen See in Norditalien und das dazu passende Belcanto? Damit hat ihre Musik mitnichten zu tun, wir können hier einer zupackenden Variante von Americana zuhören. Sie haben gerade ihre aktuelle CD "A Heart Of Pro" veröffentlicht,
die im Musikmagazin "eclipsed" sehr lobend rezensiert wurde. Ihr Auftritt ist fesselnd, die Stimme von Kai Lehmann bringt sie Stimmung der einzelnen Songs sehr gut rüber, Ronny Wunderwald ist ein kompetenter Begleiter.

Der einzige Wermutstropfen liegt manchmal in der etwas ungleich verteilten Aussteuerung, Stimme und Gitarre machen dann den zweiten Sieger. Seit ihren Album "Dry Land" 2007 war es still um die Band A Whisper In The Noise um West Thordson geworden. Doch zu Beginn dieses Jahres legten sie mit "To Forget" ein neues Werk vor. Dieses entstand mit einer neuen Besetzung. Der Protagonist West Thordson (Keyboards, Vocals, Guitar) und Sonja Larson (Violin, Vocals) stellen den Kern dar und stellen neue und ältere Songs von A Whisper In The Noise auf ihrer aktuellen Tour in Europa vor.

Das Konzert hat den Hauch des jahreszeitlich Paradoxen. Mancher kennt die Stimmung eines der letzten schönen Tage im Spätherbst, verbunden mit der Gewissheit, der November mit seinen grauen und trostlosen Stunden ist nahe. Diese Stimmung setzt das Duo auf eine unnachahmliche Art und Weise in Musik um. Diese ist sehr melodiebetont.

West Thordson setzt zumeist mit seinem Piano die Akzente, Sonja Larson ergänzt diese mit ihrem wunderschönen Violinspiel. Beider Gesang, oft gemeinsam vorgetragen, komplettiert das Ganze. Die Lieder ähneln einander von der Anlage, werden aber durch viele kunst- und liebevoll gesetzte Details nie eintönig. "Your Hand" mag dafür als Beleg dienen. Trotz der traumschönen Melodien entsteht beim Hören nie der Eindruck, mit einer zuckrigen Masse zugeschüttet zu werden. Bei "Armament" von "Dry Land" werden auch härtere Töne hörbar. Unterschwellig ist in der melancholischen herbstlichen Grundstimmung auch ein Hoffnungsschimmer in Erwartung künftiger Frühlingstage verborgen. Zur Musik A Whisper In The Noise werden in den diversen Plattenbesprechungen Legionen von Einflüssen aufgezählt. Vielleicht wäre es am einfachsten, diese Band als Solitär zu betrachten.

Hoffentlich dauert die nächste Pause nicht wieder fünf Jahre und wir können beide sympathischen Musiker bald wieder in Leipzig erleben.

Die Setlist: In The Dark; Black Shroud; Your Hand; Armament; Last Night; To Forget; As We Were; Hell´s Half Acre; All My; Carpenter´s Coalmen; Silence; The Gong You Hate; Anymore

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

The Walkabouts - Überhaupt nicht verstaubt in der Moritzbastei Leipzig

Sie sind wieder da! Seit 1983 bestehen die Walkabouts, ab 2005 legten sie eine längere Pause ein. Die um Mastermind Chris Eckman (Guitar/Vocals) und Carla Torgerson (Guitar/Vocals) gruppierte Formation aus Seattle fand sich 2011 wieder zusammen und produzierte mit "Travels In The Dustland" ihr aktuelles Album. Schon anfangs des Jahres hatten sie mehrere Dates in Deutschland und nun kann auch Leipzig ein Wiedersehen feiern. Das Vorprogramm wird kurzerhand aus Mitgliedern der Band rekrutiert, eine in letzter Zeit nicht unübliche Praxis. Drummerin Terri Moeller an den Keyboards und der später dazukommende Gitarrist Paul Austin spielen einen kurzen Set mit folkigen Titeln
zum Einstimmen. Die unter dem Etikett Alternative Country laufenden Walkabouts beginnen ihren Auftritt mit dem "Rainmaker Blues" und haben das Publikum sofort auf ihrer Seite. Die Band hat mehrere Metamorphosen durchlaufen, aber nie ihr Gesicht verloren. Bestechend sowohl auf ihren Studioproduktionen als auch bei ihren Liveauftritten sind immer wieder die ausgefeilten Arrangements, ergänzt durch die unverwechselbaren Stimmen von Chris Eckman und Carla Torgerson.

Egal, ob sie auf rockigen Pfaden wandeln, oder wie bei einem ihrer bekanntesten Songs "The Light Will Stay On" überaus emotional agieren, der "Gänsehauteffekt" beim Zuhörer ist garantiert. Das ist Musik, die zum Träumen und Phantasieren einlädt, ohne je in rosagefärbten Kitsch abzugleiten. Dazu kommt, dass die Musiker auf der Bühne quasi ihre Musik leben. Am anschaulichsten kommt das vielleicht bei Carla Torgersons ausdrucksstarker Gestik zum Ausdruck. "Bordertown" ist ein weiteres Highlight in einem Programm, das in sich geschlossen und trotzdem facettenreich ist. Es macht einfach Spaß, die Band bei ihrer entspannten Kommunikation zu beobachten. Ihr Klassiker "Jack Candy" offenbart, wie der Sound der drei Gitarren mit den Keybards von Glenn Slater, dem Bass von Michael Wells und dem klar akzentuierten Schlagzeugspiel von Terri Moeller zu einem komplexen Ganzen verschmilzt. Mit dem eindringlichen "The Stopping-Off Place" verabschieden sich The Walkabouts von der Bühne, aber das hingerissene Publikum lässt sie natürlich nicht ohne weiteres von dannen ziehen.

Was dann kommt, wäre allein schon das Kommen wert gewesen. Von Neil Youngs "On The Beach" gibt es eine akustisch gehaltene Aufnahme mit dem Nebenprojekt Chris & Carla und eine Studioproduktion der ganzen Band. Und nun kommt dieser Titel als erste Zugabe in einer sensationellen Liveversion daher, in der The Walkabouts noch einmal zeigen, dass sie in ihrem Genre zu den absoluten Spitzenleuten gehören. Da der Hunger der Zuhörer immer noch nicht gestillt ist, gibt es zum endgültigen Kehraus das eindrucksvolle "Horizon Fade". Es wäre wahrscheinlich niemand böse gewesen, hätten The Walkabouts das Konzert bis in die frühen Morgenstunden fortgesetzt.

Die Setlist: Rainmaker Blues; Nightdrive; The Dustlands; Rebecca Wild; The Light Will Stay On; Soul Thief; Bordertown; Long Drive In A Slow Machine; Thin Air; Jack Candy; Every River Will Burn; Acetylene; The Stoppin-Off Place; On The Beach; Horizon Fade

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Uwe Kropinski zum 60. Geburtstag - Alte und neue Weggefährten auf dem Mediencampus Leipzig

Uwe Kropinski ist schon mit Jimi Hendrix, Keith Jarrett und Glenn Gould verglichen worden. Das zeigt die he Wertschätzung, die der Gitarrist in nationalen und internationalen Jazzkreisen genießt. Anlässlich seines 60. Geburtstages lädt der Mediencampus Leipzig zu einem Konzert, um ihm den gebührenden Respekt zu erweisen. Das Konzert gliedert sich in zwei Teile. Es beginnt mit der Präsentation von Uwe Kropinskis neuem Solo-Album "SOWIESO". Er spielt eigene Kompositionen auf drei Spezialanfertigungen des holländischen Gitarrenbauers Theo Scharpach. Nach dem feurigen Einstimmen mit "Funky Train" für die Zuhörer folgt "Paco", mit dem er dem spanischen Flamenco-Gitarristen Paco de Lucia auch mit einigen
Zitaten seine Referenz erweist. Bei "Drei Seelen und eine Brust" verwendet er seine drei Gitarren am Stück, dazu hat er zwei von ihnen so aufgebaut, dass sie ergänzend angeschlagen (oder aber gestreichelt) werden können. "Almdudler" und "Grüne Insel" eröffnen neue Einblicke auf alpenländische bzw. irische Musik. "Meditation" beschließt den ersten Teil vor der Pause.

Es sind Anklänge an John McLaughlins Shakti zu hören, sensationell ist, wie Uwe Kropinski den rein akustischen Gitarrensound mit perkussionistischen Elementen auf dem Gitarrenkorpus unterstützt. Sein Spiel besticht durch technische Perfektion, Sensibilität und Ideenreichtum und bestätigt seine Ausnahmestellung in der Jazz-Szene.

Fraglich bleibt, ob wie angekündigt, die komplette CD zur Aufführung gelangt. Nach der Pause bevölkert sich der Bühnenbereich mit einer stattlichen Anzahl von Musikern, die den "Jam for Uwe mit einem kräftigen Tusch a la Free Jazz für den Jubilar eröffnen. Bei den Beteiligten handelt es sich alte und neue Wegbegleiter von Uwe Kropinskis nunmehr 35-jähriger Karriere als Jazzgitarrist. Es beginnt ein munteres Treiben, in dem in verschiedenen Konstellationen mit und ohne Uwe Kropinski die verschiedenen Etappen seines nuancenreichen musikalischen Wirkens angerissen werden.<br /><br />Erster Duo-Partner am Piano ist Hermann Keller, einer der Initiatoren der Improvisationsmusik in der DDR. Weiter geht es unter der Mitwirkung von Conny und Johannes Bauer (Posaune), Michael Heupel (Flöte), Helmut "Joe" Sachse (E-Gitarre) Günter "Baby" Sommer (Perkussion), Katharina Hilpert (Flöten) und Hagen Stüdemann (Kontrabass). Thomas Brückner rezitiert mehrmals lyrische Texte, die sich auf den Jubilar beziehen.

Besonders hervorzuheben ist der Auftritt vom Quartett Doppelmoppel mit der ungewöhnlichen Besetzung von zwei Posaunen mit E-Gitarre und akustischer Gitarre. Ebenso wie bei seinen anderen Beiträgen - u.a. auch als Solist - setzt Conny Bauer Glanzpunkte. Baby Sommer ist vor der Bühne etwas unglücklich platziert. Sehr unterhaltsam ist auch Uwe Kropinskis Duett mit dem Leipziger Urgestein Joe Sachse.

"Jam for Uwe" hat den Charakter einer Compilation-CD mit all ihren Vor- und Nachteilen, birgt aber bestimmt für manchen Gast den Anreiz, ein Konzert des einen oder anderen Musikers zu besuchen. Als Rausschmeißer ist noch einmal die volle Kapelle mit einer freien Improvisation in Aktion. Danach leert sich der fast vollständig besetzte Saal.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Holland/Möller/Noack - Improvisation pur in der Kulturwirtschaft Waldfrieden Leipzig

Der Drummer Olli Holland und der Keyboarder Uwe Möller treten normalerweise als Duo unter dem Namen LLLL auf. Damit sei gleich hier auf dessen Auftritt am 28.4.2012 am gleichen Veranstaltungsort verwiesen. Für den heutigen Abend haben sie sich mit dem Geiger Hansi Noack zu ihrem ersten öffentlichen Auftritt als improvisierendes Trio zusammengetan. Man will es kaum glauben, aber es ist wirklich zum ersten Mal, dass sich die Drei in das Abenteuer stürzen, längere Zeit mit ihrer gemeinsamen Musik zu füllen. Der erste Teil des Konzerts besteht aus knapp einer Stunde, die zum Meditieren einlädt. Das frappierende daran ist, dass zu
keinem Zeitpunkt die Gefahr besteht, sich zu langweilen. Dabei gibt es in der Geschichte der modernen Musik genug abschreckende Beispiele, bei denen der Zuhörer nach einem gewissen Zeitraum ein baldiges Ende herbeisehnt.

Die Musik setzt sich aus Versatzstücken von Rock, Jazz, Folk und Weltmusik zusammen, die größten Akzente werden von der Geige gesetzt, Drums und Synths bereiten ihr einen variablen Klangteppich. Der zweite Konzertteil fällt erheblich rockiger aus. Auch er erstreckt sich über ungefähr eine Stunde Spieldauer.

Uwe Möller rückt seine Synthesizer mehr in den Vordergrund, auch hier ist die Musik immer für Überraschungen gut. Remineszenzen an die Ära des Krautrock werden wach. Nach zwei Stunden konzentrierten Spielens setzen die Musiker dann den Schlußpunkt. Es bleibt zu hoffen, dass nicht nach diesem einen Versuch die Zusammenarbeit endet und mehr Musikliebhaber in den Genuß noch weiterer wünschenswerter Konzerte kommen.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch
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