Zu ungewohnt früher Stunde (wegen des Finales der Champions League wurde der Beginn vorverlegt) stehen die Newcomer von Treatment aus dem australischen Sidney schon um 18.00 Uhr auf der Bühne der Halle D von Werk 2 und beginnen einen fulminanten Auftritt. Es ist dem Quartett, das sich einer Art Highspeed-Garagenpunk verschrieben hat, nicht anzumerken, dass sie noch nicht lange im Geschäft sind. Obwohl die Halle zuerst spärlich gefüllt ist, legen sie sich voll ins Zeug und können sich zum Ende ihres Auftritts hin sogar noch steigern. Respekt! Alles begann mit Green River. Die 1983 gegründete Band wird oft als erste
Grungeband bezeichnet. Zu ihren Gründungsmitgliedern gehörten Mark Arm (Guitar/Vocals) und Steve Turner (Guitar), die sich nach dem Split von Green River (Turner war schon früher ausgestiegen) 1988 wiedertrafen und Mudhoney formierten.
Der Rest landete bei Pearl Jam, die zusammen mit Nirvana, Soundgarden und eben Mudhoney zu den tragenden Säulen der Grungebewegung zählen sollten. Pearl Jam machten auch Schlagzeilen durch ihre Zusammenarbeit mit "Don Grungeone" Neil Young zu Beginn der 1990er Jahre. Und hier schließt sich ein Kreis. Das ungezügelte und abseits jeglicher Virtuositätangesiedelte Spiel von Neil Young und seiner Begleitband Crazy Horse hatte großen Einfluss auf die Grungeszene in Seattle und somit auch auf Mudhoney. Ihr Programm ist ein Querschnitt durch das Schaffen der 25 Jahre ihres Bestehens, der Opener ist "Slipping Away" von ihrem neuesten Werk "Vanishing Point", das im weiteren Verlauf naturgemäß eine zentrale Rolle spielt. Zu Beginn spielt Mark Arm, etwas wie eine Light-Ausgabe von Iggy Pop wirkend, neben seinem Gesang auch Gitarre. Später konzentriert er sich auf seine Rolle als Frontmann, was er sich ohne weiteres leisten kann, denn Steve Turner kann den Gitarrenpart locker alleine lösen. Bei der Erzeugung seiner schrägen Töne wird er trefflichst von Guy Maddison am Bass und Dan Peters (ein weiteres Gründungsmitglied) an den Drums assistiert. Ihre wuchtigen Grooves verleihen dem Ganzen die nötige Erdenschwere.
Musikalisch ist schnell erkennbar, dass die Musik von MC 5, den Stooges und den Dead Kennedys in ihrer Plattensammlung einen festen Platz gefunden hat. Mudhoney zeigt, dass sie den Grunge nicht unbedingt neu erfinden müssen, sich aber die nötige Frische und Unangepasstheit bewahrt haben, um den mittlerweile gut gefüllten Saal in Bewegung zu bringen. Diese findet besonders intensiv in der Mitte vor der Bühne statt, wo eine Gruppe jüngerer Fans mittels Crowd Surfing Leibesertüchtigung betreibt. Nach einer Zugabe mit drei aktuellen Titeln verlassen die Musiker von Mudhoney unwiderruflich die Bühne und überlassen dem Fußball das Feld.
Die Setlist: Slipping Away; I Like It Small; You; Suck You Dry; Get Into Yours; F.D.K. (Fearless Doctor Killers); In This Rubber Tomb; Sweet Young Thing; Judgment, Rage, Retribution & Thyme; No One Has, Good Enough; Douchebags On Parade, Touch; What To Do With The Neutral; I´m Now; The Final Course; I Don´t Remember You; Chardonnay; The Only Son Of The Widow From Nain
Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch